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24.6.2021

„Für die All-Stars gibt es keine Grenzen“

Die Frauen sind dabei, es geht um mehr als nur Fußball, die DFB-All-Stars stellen sich neu auf und wechseln innerhalb des DFB zur DFB-Stiftung Sepp Herberger. Neu sind auch die Schirmherrin Renate Lingor und Schirmherr Jens Nowotny. Im Interview reden die beiden über Möglichkeiten und Ambitionen der DFB-All-Stars.

Renate Lingor in einer Interview-Situation, Fußbälle sind im Hintergrund zu sehen
Die ehemalige deutsche Nationalspielerin und heutige DFB-Mitarbeiterin Renate Lingor.

Frau Lingor, seit vielen Jahren engagieren Sie sich mit großem Einsatz für den guten Zweck. Wissen Sie noch, wann Sie zum ersten Mal den Gedanken hatten, Ihre Popularität für andere einzusetzen?

Renate Lingor: Maßgeblich war die Frauen-WM 2011, bei der ich als Botschafterin im Einsatz war. In dieser Rolle war ich für den DFB viel unterwegs, habe die unterschiedlichsten Termine wahrgenommen, habe Schulen besucht, Minispielfelder eröffnet, war in Krankenhäusern. Diese Zeit und diese Erlebnisse waren für mich aus vielen Gründen sehr wertvoll. Ich habe einerseits erfahren, mit wie wenig Aufwand ich anderen Menschen helfen und ihnen eine Freude machen kann, andererseits wie viel es mir selbst auch gibt, mich auf diese Weise einzusetzen. Die Erfahrungen damals haben mich schon sehr geprägt.

Inwiefern?

Lingor: Ich war schon ein sehr impulsiver Mensch und hab mich auch gerne mal aufgeregt, früher auch über Schiedsrichterentscheidungen. (lacht) Wenn ich im Stau stand, war ich recht schnell genervt, dass ich zu spät kommen könnte, Zeit vergeude, o.ä. Ich bin immer noch impulsiv, aber ich denke inzwischen mehr über andere nach. Am Beispiel Stau: ich komme zu spät, das ist bedauerlich, aber da vorne hat jemand möglicherweise sein Leben oder seine Gesundheit verloren. Diese Perspektive sehe ich inzwischen viel klarer, und das liegt auch daran, dass ich durch die verschiedensten Charity-Einsätze eine stärkere Wahrnehmung fremder Schicksale habe. Diese Erfahrungen haben mich bereichert.

Nun haben Sie ein neues Projekt, das Sie federführend unterstützen: die DFB-All-Stars, deren Schirmherrin Sie sind. Wie lange haben Sie überlegt, ob Sie diese Rolle annehmen wollen?

Lingor: Für mich war das sofort klar, ich musste gar nicht nachdenken und habe mich einfach gefreut. Die DFB-All-Stars sind für mich ein großartiges Projekt, ich sehe viele Chancen und habe große Lust, mich in diesem Bereich zu engagieren.

Dass Jens Nowotny als Schirmherr Ihr Pendant ist, hat Sie nicht zögern lassen?

Lingor: Überhaupt nicht. (lacht) Ganz im Gegenteil. Zwei Karlsruher, das passt. Wir kommen aus derselben Ecke, haben auch schon die eine oder andere Charity-Veranstaltung gemeinsam mitgemacht. Ich erinnere mich noch an eine Geschichte, bei der wir Seite an Seite Rad gefahren sind. Schon damals haben wir uns über Möglichkeiten ausgetauscht, wie wir uns als ehemalige Nationalspieler*innen zusammenschließen können.

Jens Nowotny in einer Interview Situation.

Jens Nowotny, Repräsentant der DFB-Stiftung Sepp Herberger (© Gettysport)

Jens Nowotny: Vor ungefähr zwei Jahren war das, es war ein schönes Event. Wobei wir uns ja schon viel länger kennen.

Sie beide haben beim SV Blankenloch mit dem Fußball begonnen. Erinnern Sie sich noch an den ersten Kontakt?

Nowotny: Ich habe in Friedrichstal gespielt, wir hatten eine Spielgemeinschaft mit Blankenloch.

Lingor: Mein Bruder hat damals mit Jens in einer Mannschaft gespielt, für ein Jahr in der C-Jugend. Jens und ich hatten keinen wahnsinnig engen Kontakt, aber man kannte sich. Und natürlich verbindet es, dass wir aus derselben Ecke stammen, gemeinsame Bekannte haben und dieselben Orte kennen. Ich finde, dass dies gute Voraussetzungen sind für den gemeinsamen Einsatz für die DFB-All-Stars.

Beim CdN ist einiges neu, dazu gehört, dass die Frauen nun dazugehören. Der CdN wird (auch) weiblich – eine überfällige Entwicklung, Herr Nowotny?

Nowotny: Wenn ich ehrlich bin, dann war es lange Zeit so, dass ich mir über den Frauenfußball keine großen Gedanken gemacht habe. Als Spieler ist man in seiner Blase, große Berührungspunkte zu den Frauen gab es bei mir nicht. Ich habe zwar registriert, dass der Frauenfußball immer größer wurde und dass die Nationalmannschaft sehr erfolgreich war, aber ein großes Thema war das für mich nicht. Das hat sich erst in den vergangenen Jahren gewandelt. Man trifft sich auf Veranstaltungen, kommt ins Gespräch und stellt schnell fest, wie sehr man auf einer Wellenläge liegt. Gerade wenn die Veranstaltungen wohltätigen Charakter hatten, war es immer so, dass ich dabei überragende Gespräche geführt habe, und dies mit ehemaligen Nationalspielerinnen genauso wie mit ehemaligen Nationalspielern. Wir alle sind Sportler, das verbindet, wir waren erfolgreich, und alle, die sich für die gute Sache einsetzen haben als zusätzliche Gemeinsamkeiten, dass sie sehr offen und nicht egoistisch sind. Bei mir war es so: Je mehr ehemalige Nationalspielerinnen ich getroffen habe, desto weniger war mir verständlich, warum die Frauen nicht in den CdN aufgenommen wurden. Dieser Schritt ist für mich also nur logisch – ich finde es super und glaube, dass der Club insgesamt davon profitieren wird.

Frau Lingor, Herr Nowotny, wie wollen Sie Ihre Rolle als Schirmherrin und Schirmherr der DFB-All-Stars interpretieren? Welche Aufgaben sehen Sie für sich?

Nowotny: Ich will begeistern und anstecken und, wo nötig, zur Räson rufen und in den Hintern treten. (lacht)

Lingor: Ich sehe uns auch als Multiplikatoren. Es wird hin und wieder so sein, dass eine Spielerin oder ein Spieler auch mal überzeugt werden muss, sich an einer Aktion der All-Stars zu beteiligen. Dann ist der Zugang einfacher, wenn Jens oder ich dies machen und wir das unter ehemaligen Mannschaftskolleg*innen besprechen.

Die DFB-All-Stars sind zuletzt im Oktober 2019 mit dem Spiel in Fürth gegen die Azzurri Legends in Erscheinung getreten, die Idee ist aber, dass Fußballspiele künftig nur eine von vielen Aktivitäten sein werden. An was denken Sie dabei?

Nowotny: Ich denke an nichts Konkretes, das wäre einschränkend. Eigentlich sehe ich keinen Bereich, in dem sich DFB-All-Stars nicht engagieren können.

Renate Lingor in einem Raum mit Fußbällen als Dekoration im Hintergrund.
Botschafterin der DFB-Stiftung Sepp Herberger: Renate Lingor.

Lingor: Diese Botschaft ist wichtig: Es gibt keine Grenzen. Ob es eine Radtour ist, ein Lauf, ein Essen, ein Golfturnier, ein Tennis-Event, ein Meet & Greet, natürlich auch Gefängnisbesuche, Schulbesuche, ich würde nichts vornherein ausschließen. Die DFB-All-Stars sind ein geschlossener Kreis mit offenen Möglichkeiten.

Nowotny: Das kann auch mal ein Literaturprojekt sein, eine Kooperation mit einem Filmschaffenden. Es wäre unklug, sich auf den Fußball zu beschränken, nur weil wir aus dem Fußball kommen. Ich bin der Überzeugung, dass aus dem Kreis der DFB-All-Stars richtig viel auf die Beine gestellt werden kann. Wenn wir unsere Kontakte miteinander verknüpfen, unsere Netzwerke, dann gibt es wenig Bereiche, die wir nicht besetzen können.

Lingor: Die DFB-All-Stars werden dazu führen, dass Projekte entstehen, an die wir heute noch gar nicht denken. Je größer das Netzwerk insgesamt wird und je enger die Verzahnung untereinander, desto vielfältiger werden die möglichen Einsätze für die All-Stars. Ein Beispiel: Beim Abschied von Tina Theune waren ein paar Spielerinnen dabei, die ich seit 20 Jahren nicht gesehen habe. Antonia Schmale lebt mittlerweile als Künstlerin in London und Josephine Hennig ist auch Künstlerin. Wenn nun eine Anfrage aus diesem Bereich kommt, weiß ich, in welche Richtung ich denken kann. Entstanden ist das aus einem zufälligen Treffen beim Abschied von Tina Theune. Bei den DFB-All-Stars geht es für mich auch darum, solche Zufälle zu institutionalisieren beziehungsweise zu ritualisieren.

Die DFB-All-Stars sind nun eine selbstständige Einheit des Clubs der Nationalspieler, die angesiedelt ist bei der DFB-Stiftung Sepp Herberger. Warum ist dieser Schritt aus Ihrer Sicht sinnvoll?

Lingor: Es ist einfach so, dass der Erst-Gedanke der DFB-All-Stars der Charity-Gedanke ist. Und daher ist es folgerichtig, dass sie nun an die DFB-Stiftung Sepp Herberger angedockt sind. Damit sind und bleiben die All-Stars gleichzeitig fester Bestandteil des DFB. In meiner Vorstellung wird es viele Projekte geben, an denen sich DFB-All-Stars beteiligen, sei es im Schulfußball, sei es im Bereich von Kampagnen des Amateurfußballs oder natürlich auch im Mädchen- und Frauenfußball.

Jens Nowotny wird in einem hellen Raum interviewt.
Schirmherr der DFB-All-Stars: Jens Nowotny. (© Gettysport)

Nowotny: Mit Tobias Wrzesinki und seinem Team von der Stiftung haben wir genau die richtige Unterstützung, von dem Know-how und der Erfahrung werden wir stark profitieren. Grundsätzlich finde ich, dass sich vieles ergänzen kann. Im Verhältnis zum DFB, wo wir das jetzt mit den All-Stars und der DFB-Stiftung Sepp Herberer vorleben wollen, aber auch darüber hinaus. Die Toni-Kroos-Stiftung leistet großartige Arbeit, die Manuel Neuer Kids Foundation, Per Mertesacker mit seiner Stiftung, Philipp Lahm, Franz Beckenbauer, Jürgen Klinsmann. Und es gibt noch viele andere Beispiele. Und warum soll es nicht projektbezogen eine Zusammenarbeit dieser Stiftungen mit den DFB-All-Stars geben. Das sind alles Dinge, die wachsen können und wachsen werden.

Ergebnis einer Abfrage unter den Mitgliedern des Clubs der Nationalspieler war, dass rund 160 Mitglieder ihre Bereitschaft erklärten, sich künftig als All-Star für den guten Zweck zu engagieren. Wie zufrieden sind Sie mit dem Ergebnis?

Nowotny: 160 haben sich direkt zurückgemeldet, schon das ist eine sehr erfreuliche Quote. Aber es sind inzwischen noch ein paar mehr. Tim Borowski hat sich vor Kurzem bei mir gemeldet, auch Torsten Frings und noch ein paar andere, die auf die erste Abfrage aus verschiedenen Gründen nicht reagiert haben, die aber gern dabei sind. Diese 160 oder 170, vielleicht sind es inzwischen sogar 180 – das ist der Startschuss. Ich bin sicher, dass sich daraus noch viel mehr entwickeln kann.

Lingor: Die erste Rückmeldung war erstaunlich hoch, vor allem die Begeisterung für das Projekt, die ich gespürt habe. Trotzdem ist das nur der Anfang. Es muss auch noch mehr ins Bewusstsein, dass es bei den DFB-All-Stars nicht mehr nur ums Fußballspielen geht. Bei der Abfrage haben wir zwar schon dargelegt, dass die DFB-All-Stars viel breiter aufgestellt sein werden, ich habe dennoch auch die Erfahrung gemacht, dass einige erstmal abgesagt haben, weil sie davon ausgingen, wir reden nur übers Fußballspielen. Und schon allein aufgrund der Altersstruktur ist klar, dass nicht wenige dann kein Interesse haben. Aber so ist es eben nicht. Jedes Mitglied des Clubs der Nationalspieler hat die Möglichkeit, sich als DFB-All-Star zu engagieren. Alter und Fitness sind keine limitierenden Faktoren.

Was macht Sie so sicher, dass sich über die DFB-All-Stars Gelder für die gute Sache einnehmen lassen? Beim Spiel gegen die Azzurri Legends war dies nur möglich, weil die Spieler auf Teile ihrer Gage verzichtet haben…

Nowotny: Oft ist es einfacher, wenn der Aufwand kleiner ist. Es muss auch nicht immer um riesige Summen gehen. Auch bei kleineren Events, wie einem Golfturnier, braucht man für wirtschaftlichen Erfolg einen Sponsor oder Menschen, die bereit sind, sich in einen Flight einzukaufen. Aber das sehe ich nicht als Problem, das ist einfacher, als mit einem Legendenspiel ein Stadion vollzubekommen. Solche Spiele sehe ich als Königsdisziplin, als Highlight. Damals war es außerdem so, dass der Vorlauf relativ kurz war, und dafür war es gigantisch gut. Was der DFB und die Orga des DFB rund um dieses Spiel geleistet haben, war sensationell. Allen hat es riesigen Spaß gemacht – und das ist auch ein großer Mehrwert.

Renate Lingor hält die Arme gekreuzt und lehnt in einem hellen Gang am Fenster.

Sie ist Schirmherrin bei den DFB-All-Stars: Renate Lingor.

Lingor: Für mich geht es darum, neben solchen Highlight-Veranstaltungen mit kleinen Dingen Großes zu bewirken. Ich unterstütze zum Beispiel in Frankfurt das FeM-Mädchenhaus, und ich weiß, dass dort Beträge in jeglicher Höhe eine Hilfe sind. Es geht auch nicht immer um Materielles, sie freuen sich auch, wenn man für eins ihrer Projekte einen neuen Schutzengel findet. Auch bei den Besuchen in Schulen oder in Gefängnissen geht es nicht darum, Geld mitzubringen. Warum sollen sich DFB-All-Stars künftig nicht auch in diesen Bereichen engagieren?!

Nowotny: Ein Beispiel dafür, mit wie wenig Aufwand DFB-All-Stars gutes Geld sammeln können, sind Grußbotschaften für Fans. Ich bin seit Kurzem auf einer solchen Plattform aktiv. Im Regelfall läuft das so, dass Fans Grußbotschaften ihrer Stars von Freunden geschenkt bekommen. Das können Grüße zur Hochzeit sein, zum Geburtstag, zum Abitur. Für mich ist der Aufwand minimal, ich spreche die Grüße in mein Handy, 30 Sekunden, fertig. Und dafür erhalte ich eine Summe x, die ich für einen guten Zweck einsetzen kann. Die Nachfrage zeigt, dass dieses Modell funktioniert, und wenn es bei mir funktioniert, funktioniert es bei vielen anderen All-Stars auch. Wichtig ist auch, dass jeder All-Star eigene Zwecke definieren kann – im Idealfall speisen wir gemeinsam einen Topf und entscheiden dann, wie wir die Gelder einsetzen wollen.

Frau Lingor, Herr Nowotny – das Projekt legt jetzt los. In Ihrer Idealvorstellung… skizzieren Sie mal, welche Aktivitäten und Ereignisse der DFB-All-Stars 2023 im Jahresbericht der DFB-Stiftung Sepp Herberger aufgeführt sind?

Jens Nowotny in einem schwarzen Sessel mit seinen Armen auf den Oberschenkeln
Jens Nowotny im Interview über die Möglichkeiten und Ambitionen der DFB-All-Stars. (© Gettysport)

Nowotny: Mir wäre vor allem wichtig, wenn eine zentrale Veranstaltung genannt wird: Ein großes Grillfest mit 250 DFB-All-Stars und deren Familien. Für mich zielen die All-Stars in verschiedene Richtungen, und eben auch nach innen. Der Mehrwert besteht einerseits in den Aktionen für die gute Sache, die wir durchführen und in den Geldern, die wir einnehmen. Aber andererseits auch darin, Kontakte aufzubauen und zu pflegen. So ein Grillfest verbinde ich mit einem Zusammengehörigkeitsgefühl, mit einer guten Zeit mit guten Freunden. Wenn wir aus den All-Stars heraus eine solche Veranstaltung für die All-Stars durchführen, dann wäre dies für mich ein Zeichen dafür, dass wir viel richtig gemacht hätten. Nebenbei würde sich aus einem solchen Treffen wieder neue Kontakte ergeben, neue Ideen und neue Projekte.

Lingor: Am Ende des Tages müssen wir dahin kommen, dass es allen Spaß macht, dass alle Lust haben, sich zu engagieren und dass ein Gemeinschaftsgefühl „DFB-All-Stars entsteht“, weil alle gut finden, was dieser Kreis macht und leistet. Wir wollen einen Geist schaffen, in dem die DFB-All-Stars dafürstehen, mit guten Leuten gute Sachen für den guten Zweck umzusetzen. Ich freue mich riesige darauf, dass wir nun loslegen können, ich freue mich über jeden, der mitmacht, freue mich auf die Zusammenarbeit mit Jens und bin sicher, dass das eine richtig coole Geschichte wird.

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