Linda Banholzer hat als Kind selbst Fußball gespielt. Zwei, drei Jahre in ihrem Heimatverein, dem SC Friedrichshafen. Weil sich aber keine Trainerin mehr fand, wurde die Mädchenmannschaft aufgelöst. Ein kleines Beispiel nur – und doch zeigt es auf, wie immens wichtig die Arbeit an der Fußballbasis ist. Linda Banholzer hat ihre Fußballschuhe danach an den Nagel gehangen, beruflich aber ist sie nun zum Fußball zurückgekehrt. Sie arbeitet hauptamtlich im Bereich „Gesellschaftliche Verantwortung“ des Fußballverbandes Sachsen-Anhalt (FSA) und ist in dieser Funktion auch die Inklusionsbeauftragte ihres Landesverbandes.
Langenargen, am Nordufer des Bodensees gelegen: Hier wächst Linda Banholzer auf. Eine Traumkulisse. Wenn du aus dem einen Fenster schaust, siehst du den Bodensee. Schaust du aus dem anderen Fenster, blickst du auf die Alpen. „Wir waren als Kinder immer sehr viel am See und in den Bergen. Für uns war das selbstverständlich. Erst als ich während des Studiums von dort weg bin oder jetzt, wo ich in Magdeburg lebe und arbeite, weiß man so richtig zu schätzen, was man in der Heimat hat.“ Wenn sie in Magdeburg aus dem Fenster schaut, sieht sie die Häuser auf der anderen Straßenseite. Und doch fühlt sich Linda Banholzer auch in ihrer neuen „Heimat“ schon sehr wohl. Den Schritt nach Magdeburg hatte sie ohnehin ganz bewusst gewählt.
Doch zunächst einmal der Blick zurück – auf die jungen Jahre, in denen der Fußball plötzlich eine Rolle spielte. „Mein Vater ist großer Fußballfan, mein Onkel ist Trainer, mein Cousin hat selbst gespielt – irgendwie hatten alle männlichen Familienmitglieder etwas mit Fußball zu tun. Wenn zum Beispiel Weltmeisterschaft war, haben wir oft alle zusammen geschaut. Und so bin ich selbst zum aktiven Fußball gekommen. Bis sich die Mannschaft eben auflöste und ich auch aufgrund meines Studiums kaum noch Zeit hatte.“ Linda Banholzer probierte sich auch in anderen Sportarten aus, zum Beispiel Tennis und Volleyball, ihr Fokus aber liegt auf der beruflichen Perspektive.
Und da hat sie früh eine klare Vision: „Alles, was ich tun möchte in meinem Leben, soll einen Sinn haben. Ich möchte gerne einen positiven Einfluss nehmen auf die Gesellschaft.“ In Konstanz macht sie ihren Bachelor in Soziologie und Geschichte, im Jahr 2016 geht es dann zum Master-Studium Soziologie nach Freiburg. „Ich habe mich während des Studiums viel mit Formen von Diskriminierung beschäftigt und mit unterschiedlichen Startvoraussetzungen von Menschen. Man kann sich eben nicht aussuchen, wo man geboren wird. Aber es darf eben auch kein Nachteil sein. Es muss egal sein, welche Hautfarbe oder ob man eine Behinderung hat. Wenn den Menschen dann von der Gesellschaft auch noch Steine in den Weg gelegt werden, finde ich das sehr unfair. Mir ist es wichtig, allen Menschen Teilhabe zu ermöglichen. Und der Fußball bietet sich hierfür perfekt an.“
Auf die Stellenausschreibung des Fußballverbandes Sachsen-Anhalt ist Linda Banholzer nur durch Zufall gestoßen. „Mich dort zu bewerben, war eine ganz bewusste Entscheidung. Ich war bisher immer in Baden-Württemberg Zuhause und aktiv, wollte dort mal weg. Natürlich keine leichte Entscheidung, wenn Freunde und Familie plötzlich so weit weg sind, aber es tut mir dennoch gut, mich in einer neuen Umgebung neuen Aufgaben zu stellen. Ich bin richtig gut angekommen in Magdeburg und sehe viele neue Perspektiven.“
Seit dem 1. September 2020 ist sie nun im Bereich „Gesellschaftliche Verantwortung“ beim FSA tätig. „Leider macht die Pandemie Veranstaltungen und Spielbetrieb derzeit unmöglich. Dadurch ist es auch nicht leicht, sich zu vernetzen. Das Kennenlernen wird also noch ein bisschen warten müssen, aber konzeptionell bin ich schon sehr aktiv und mache mir viele Gedanken, entwickle Visionen und Ideen, die wir hoffentlich sehr bald umsetzen können.“
Zum Sommerausklang 2020 hatte sie zudem die Gelegenheit, bei zwei noch stattfindenden Veranstaltungen erste Kontakte zu knüpfen und Erfahrungen zu sammeln. „Im September fanden die Landesmeisterschaften des Behindertensportverbandes statt. Das war gleich sehr beeindruckend. Ich wurde toll aufgenommen. Eine Mannschaft wollte sogar, dass ich unbedingt mit auf das Teamfoto komme. Ein sehr schönes Erlebnis. Mindestens genauso faszinierend war dann im Oktober das Finale der Blindenfußball-Bundesliga in Magdeburg. Ich wusste ehrlicherweise vorher gar nicht, dass es sowas gibt. Absolut beeindruckend und ein wirklich krasses Erlebnis.“
Mit dem Thema Inklusion hatte sich Linda Banholzer schon zu Schulzeiten intensiv beschäftigt. „Ich habe damals ein Praktikum in einer Bildungseinrichtung für Menschen mit geistigen Lernschwierigkeiten gemacht. Ich fand es sehr bewegend, die Menschen zu unterstützen und ihnen zu helfen. Es ist einfach toll, wenn Zusammenleben gut funktioniert und man füreinander da ist.“
Sobald die Pandemie es wieder zulässt, wird die Inklusionsbeauftragte auch wieder vor Ort aktiv sein bei den Vereinen und bei Veranstaltungen. Dass der Fußball seine Bodenhaftung nicht verliert, ist ihr extrem wichtig. Deshalb unterstreicht Linda Banholzer auch die Wichtigkeit der Arbeit der DFB-Stiftung Sepp Herberger, die mit ihrer Inklusionsinitiative die Inklusionsbeauftragten in allen Landesverbänden des Deutschen Fußball-Bundes ermöglicht. „Oft wird davon gesprochen, dass sich der Profifußball immer weiter von den Fans entfernt. Umso wichtiger ist es, den Amateurfußball und damit diese Sportart zu stärken. Die Spieler und Fans an der Basis machen die Faszination Fußball aus. An dieser Faszination sollen alle Teilhabe haben – völlig egal, welche Voraussetzungen sie mitbringen. Die Arbeit der DFB-Stiftung Sepp Herberger in diesem Bereich ist extrem wichtig. Als ein Beispiel nenne ich da nur die deutschlandweite Vernetzung der Inklusionsbeauftragten. So können wir alle voneinander lernen und gemeinsame Projekte umsetzen. Wichtig ist es auch, damit immer wieder an die Öffentlichkeit zu gehen. Die Stiftung und ihre Projekte verdienen es einfach, noch bekannter zu werden.“ Damit das gelingt, braucht es Menschen, wie Linda Banholzer.