„Die Selbstlosigkeit anerkennt die unendliche Mannigfaltigkeit als etwas Wunderbares, akzeptiert sie, fördert sie und erfreut sich an ihr“, schrieb einst Oscar Wilde. Dieses Zitat passt trefflich auf die Geschichte von Peter Muckel, die DFB-Redakteur Thomas Hackbarth erzählt.
„Wir alle sind so stolz auf ihn, auch weil er geholfen hat, ohne irgendein Brimborium zu veranstalten“, sagt Gert Engels. „Es gibt so viele, die leichter geben könnten. Peter hat das gut gemacht“, sagt Wolfgang Watzke. Die Rede ist von Peter Muckel.
Der Schreinermeister aus der Ortschaft Schlich am Nordrand der Eifel verstarb im Dezember 2020 im Alter von 79 Jahren. Bereits 1996 hatte er testamentarisch verfügt, dass sein komplettes Vermögen der Mexico-Hilfe zugutekommen soll. Knapp ein Vierteljahrhundert später gingen nun rund 115.000 Euro an das 1986 eingerichtete Hilfswerk unter dem Dach der DFB-Stiftung Egidius Braun.
Gert Engels gehörte in den Siebzigerjahren den legendären Meistermannschaften von Borussia Mönchengladbach an. Das Fußballspielen erlernt hatte er bei Peter Muckel, der 60 Jahre lang und bis zu seinem Tod Mitglied bei Viktoria Schlich blieb, zum Ausklang der 1960er Jahre aber auch die U 13/U 14Mannschaft der SG Düren trainierte. „Die Jungs, die weiter weg wohnten und bei denen die Eltern beruflich nicht konnten, die hat er abgeholt und nach dem Training wieder nach Hause gefahren. In den Ferien bot er Sondertrainings an“, erinnert sich Engels. Ein Angebot gerade für die Kinder, deren Eltern sich keinen Strandurlaub leisten konnten. Bis zur U 18 blieb Muckel Engels‘ Trainer.
„Klar, fachlich sind heute viele auf einem hohen Niveau. Aber der Peter, der hat uns etwas anderes vorgelebt. Ohne Leidenschaft für den Fußball, ohne den Spaß am Spiel, da wird es nichts. Das war seine Botschaft, die ich mir für meine Trainerlaufbahn mitgenommen habe.“
In der J-League assistierte der heute 64-jährige Engels Guido Buchwald und später Holger Osieck bei den Urawa Red Diamonds. Mit ihm auf der Trainerbank wurde Urawa 2006 japanischer Meister und gewann 2007 die AFC Champions League. Vergangene Saison führte Engels die Frauen von INAC Kobe zur Vize-Meisterschaft. Peter Muckel aber hat Engels trotz der großen Erfolge, ob in der Bundesliga oder in Japan, nie vergessen. Und etlichen anderen Jugendspielern ging es genauso. Vor ein paar Jahren besuchten ihn seine nun auch ergrauten Spieler aus dem Dürener Nachwuchs im Seniorenheim. Schon den 50. und 75. Geburtstag hatten sie mit ihm gefeiert. „Das hatte Peter sich verdient“, sagt Engels.
Wolfgang Watzke leitete fast zwei Jahrzehnte lang die Geschäfte der DFB-Stiftung Egidius Braun und war zuvor beim Fußball-Verband Mittelrhein tätig. „Peter Muckel hat bei mir die Jugendleiter-Lizenz gemacht und mich später bei den Fußball-Ferien-Freizeiten unterstützt.“ Watzke erinnert sich an eine Feier, zu der er seinen kleinen Sohn mitgenommen hatte. „Nur Erwachsene, Friederich langweilte sich, ich hatte kaum Zeit für ihn. Peter ist dann mit ihm auf die Minigolf-Bahn vor dem Lokal gegangen. Einfach so. Dann kam ein Sommer, da fanden die Jungs plötzlich Baseball toll und Peter stellte sich an die Drechselmaschine. Immer alles ohne Trara.“
Dass sein Erbe der Mexico-Hilfe zugutekommen soll, die seit 35 Jahren Bildungsprojekte für Mexikos Kinder fördert, verfügte Peter Muckel ganz bewusst. Wolfgang und Juliane Watzke hatten einige Kinder aus armen mexikanischen Familien über den Sommer zu sich nach Hause eingeladen. Irgendwann erzählte ihm Watzke von der Case de Cuna in Queretáro und der Schule für die Müllsammler von Chimalhuacán. „Da mache ich etwas für die Kinder“, habe Muckel nur kurz gesagt.
„Wissen Sie“, sagt Wolfgang Watzke, „Peter war einer dieser Menschen, die einem zeigen, dass man für Herzensbildung kein Abitur braucht.“ Kein rundherum vernetzter Mensch, kein 24/7 getriebener Selbstoptimierer, keiner, der rastlos immer wieder die Komfortzone verlässt und die nächste Sprosse der Karriereleiter erklimmt. Ein ruhiges Leben, verlässlich, vielleicht sogar etwas störrisch an Werten festhaltend. So beschreiben ihn Gert Engels und Wolfgang Watzke. Von der sechsstelligen Summe erfuhr die Stiftung erst nach Peter Muckels anonymer Beisetzung.
„Er hat gestottert, und anfangs haben selbst wir Kleinen ihn hinter seinem Rücken veräppelt“, erinnert sich Engels. „Das hörte schnell auf. Die Spielbesprechung war für uns normal, auch wenn er mal stotterte. Es gibt Trainer, die verliert man aus den Augen. Ihn nicht.“
Peter Muckel hat wahrscheinlich auch nicht ein einziges Mal in seinem Leben am Stück 148 Mails gecheckt, wie es Tim Bendzko einmal besang. Aber die Welt gerettet? Doch, so ein bisschen schon.