Tobias Ragge jagte als Kind und Jugendlicher selbst dem Ball hinterher, heute fiebert er mit dem FC Schalke04 und der DFB-Auswahl um Coach Julian Nagelsmann. Er liebt die Stunden im Stadion, in denen nichts anderes zählt als der Moment. Seit vergangenem Jahr gehört der 47-Jährige den Freunden der Nationalmannschaft (FdN) an, jenem Kreis von Menschen, die mit ihren Zuwendungen die Arbeit der Sepp-Herberger-Stiftung unterstützen.
Zum Abschalten und Durchpusten bietet der Alltag Tobias Ragge nur selten die Chance. Der Kölner ist Vater dreier Kinder und als Geschäftsführender Gesellschafter der international tätigen HRSGroup intensiv eingespannt. Doch es gibt sie, die Stunden, in denen er Stressund berufliche Herausforderungen ausblendet und ganz im Moment lebt. „Genau das bietet mir der Fußball. Wenn ich im Stadion bin und mit meinem Team fiebere, bin ich in Gedanken nur dort“, sagt er. So paradox es klingen mag, Ragge findet in der lautstarken Arena jene Ruhe, die das übrige Leben nur selten für ihn parat hat. „Während der 90 oder manchmal mehr Minuten ist es beinahe wie beim Tauchen. Alles andere ist weit weg und man fühlt nur den Moment“, erklärt er.
Dieser Moment kann mitreißend und euphorisierend sein, manchmal aber auch bitter und niederschmetternd. Das hat er in den 41 Jahren mehrmals erfahren, seit er als sechsjähriger Knirps beim Kölner TSV Weiß zu kicken begann und zum Spieler der Jugendverbandsauswahl avancierte. Zuletzt bei der UEFA EURO 2024. Ragge war Augenzeuge jener 1:2-Niederlage gegen Spanien, die den Traum der deutschen Nationalmannschaft vom Titelgewinn im eigenen Land platzen ließ. „Das war hart. Ich war fest davon überzeugt, dass es ins Elfmeterschießen gehen wird und wir dieses gewinnen würden“, sagt er über den Knock-out in der Verlängerung gegen den späteren Champion. „Ich fand diese Niederlage richtig bitter, weil ich es der Mannschaft und der Nation gegönnt hätte, weiter dabei zu sein“, betont er. „Dieses positive Erlebnis hätte der Stimmung im Land gutgetan“, glaubt Ragge.
Von der verbindenden Kraft des Fußballs überzeugt
Denn der Fußball hat enorme Kraft, das weiß der Kölner. Er kann Menschen zusammenbringen und verbinden. „Im Stadion sind alle gleich, da spielt es keine Rolle, ob du Arbeiter oder Geschäftsführer bist. Alle identifizieren sich mit einem Klub oder einem Land und fiebern gemeinsam mit ihrem Team“, sagt er. In einer Gesellschaft, in der viele nur ihren Selfie-Moment und ihr eigenes Ich im Blick hätten, sei das wichtig. Nicht zuletzt angesichts der vielen Herausforderungen, die in den kommenden Jahren auf die Gesellschaft warteten. „Der Wandel in der Arbeitswelt, geopolitische Entwicklungen und Verteilungsfragen werden uns mehr denn je fordern, da brauchtes gemeinsames Verständnis und Zusammenhalt“, ist Ragge überzeugt.
Über den Fußball etwas für die Gesellschaft zu bewegen, hält Ragge für einen stimmigen Weg. Daher verwundert es nicht, dass er sich hinter die Idee der Freunde der Nationalmannschaft (FdN) stellt. Jenem Kreis von Menschen, die seit mehr als vier Jahrzehnten mit ihren Zuwendungen das gemeinnützige Wirken der DFB-Stiftung Sepp Herberger unterstützen. „Dieses Engagement finde ich toll, man kann über den Fußball viel Positives inInklusion und Integration bewirken“, macht er klar. Dass er vor rund einem Jahrüber einen Bekannten zu den FdN gefunden habe, sei beinahe logisch gewesen. „Dort teilen wir alle diese eine Leidenschaft und für mich war die Nationalmannschaft immer etwas Besonderes“, so Ragge.
Viele unvergessliche Erlebnisse mit dem Nationalteam
Als FdN-Mitglied sei er nochmals ein Stück näher am Team, das ihm schon so viele unvergessliche Erlebnisse beschert habe. Etwa das 7:1 im WM-Semifinale 2014 gegen Brasilien und der anschließende Finalsieg gegen Argentinien. Ragge hat diese Partien im Stadion verfolgt. Zuletzt hat ihm das 2:0 der deutschen Elf im EURO-Achtelfinale gegen Dänemark ein„unvergessliches Erlebnis“ mit seinem Bruder beschert. „Diese Stimmung in Dortmund war gigantisch“, beschreibt er.
Das sagt Ragge wohlgemerkt als Schalker Junge, der die Liebe zu dem Ruhrgebietsklub vom Vater, einem waschechten Gelsenkirchener, geerbt hat. Ragge sagt, er sei als kleiner Junge noch im alten Schalker Parkstadion mit dem Fußballvirus infiziert worden. „Schalke hat eine wahnsinnige Anziehungskraft, das lässt dich nicht mehr los“, macht erklar. Er hat gute und schlechte Zeiten miterlebt. Und „sein Schalke-Moment“, wie er es nennt, könnte diese beiden Extreme nicht besser vereinen: 2001, als die Gelsenkirchener für Minuten schon die Meisterschaft feierten, ehe die Nachricht vom späten 1:1 des Rivalen FC Bayern München beim Hamburger SV den Jubel jäh beendete. „Die Erinnerung an die Meisterschaft der Herzen wird sich nie verabschieden. Ich stand damals nach Schlusspfiff am Mittelkreis im Stadionund bekomme heute noch Gänsehaut beim Gedanken daran.“
Die Intensität der Wahrnehmung ist geblieben. Ragge, der vor rund zehn Jahren seinen Vater und Unternehmensgründer an der Spitze der HRS Group (Hotel Reservation Service) abgelöst hat, liebt immer noch diese Stunden im Stadion. Schließlich zählt dort nichts anderes als der Moment und die Emotion des Augenblicks.
Titelbild: Auch bei der UEFA EURO 2024 fieberte Tobias Ragge (Mitte) mit dem deutschen Team mit. Foto: Ragge