In Nürnberg initiieren Bayerischer Fußball-Verband und die Stadtverwaltung Workshops, die Geflüchtete auf die Teilnahme an Lehrgängen vorbereiten. Gemeinsam mit der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration unterstützt die DFB-Stiftung Egidius Braun im Rahmen der Initiative „2:0 für ein Willkommen“ dieses Projekt.
Wer etwas bewegen will, darf Probleme nicht achselzuckend hinnehmen. Davon ist Frank Schweizerhof, hauptamtlicher Mitarbeiter des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV), fest überzeugt. In der jüngeren Vergangenheit beobachteten seine Kollegen und er, dass die integrativen Projekte, mit denen man beim BFV Menschen mit Fluchterfahrung den Weg in verantwortungsvolle Positionen im Fußball eröffnen wollte, zwar auf reges Interesse stießen, aber letztlich nicht ihre volle Wirkung entfalteten. Die Zahl jener, die bei Abschlussprüfungen von Qualifizierungslehrgängen scheiterten oder erst gar nicht antraten, war dafür schlicht zu hoch. „Immer wieder mangelte es an den Sprachkenntnissen und dem Rüstzeug im Umgang mit Lerninhalten und der Prüfungssituation“, erklärt Schweizerhof. Dies gelte sowohl für Trainerlehrgänge als auch für die Qualifizierungsangebote für Schiedsrichter. „Es ist eben nicht so einfach, in einer Prüfung die Antworten zu Papier zu bringen, wenn man beim Gebrauch der fußballspezifischen Ausdrücke noch nicht sicher ist“, sagt Schweizerhof. Schon im Verlauf der Lehrgänge habe sich gezeigt, dass es den späteren Prüflingen schwer falle, sich Notizen zu machen und gleichzeitig dem Unterricht zu folgen.
Ein Projekt soll das nun ändern. Anfang vergangenen Jahres stießen der städtische SportService Nürnberg und der BFV im Rahmen eines bestehenden Integrationsprogramms eine Initiative an, die geflüchtete Menschen in einem Workshop auf die Teilnahme an Qualifizierungslehrgänge vorbereiten soll. Walid Mohammed Chama hält große Stücke auf diese Idee, die wie ein Türöffner wirken soll. Der junge Mann mit syrischen Wurzeln ist inzwischen in die Organisation eingebunden. Doch den Start hat er noch als Teilnehmer erlebt. „Auch wenn man sich schon länger für Fußball interessiert und selbst spielt, muss man beim Trainerlehrgang mit so vielen völlig neuen Wörtern klarkommen“, beschreibt er. Zweckdienlich, Belastungssteuerung, und Adoleszenz – mit solchen Begriffen habe er sich auf einmal konfrontiert gesehen. Chama muss lachen, wenn er an die damals unbekannten Wörter mit Stolperfaktor denkt. „Manche haben sich gefragt, wo sie denn jetzt gelandet sind und nicht wenige haben die Lust verloren“, erinnert er sich. „Ich hatte in Deutschland schon eine Ausbildung absolviert und dachte, die Sprache ganz ordentlich zu beherrschen. Aber die Sprache der Fachleute über den Fußball ist noch einmal eine ganz andere als die der Spieler auf dem Platz“, betont er. Noch schwieriger werde es, wenn man selbst etwas schriftlich darlegen müsse.
Andrea Ackermann, Integrationsbeauftragte des SportService Nürnberg, kennt diese Probleme. Je nachdem, aus welchem kulturellen Umfeld jemand komme, seien die sprachlichen Hürden nicht die einzigen. „Viele können mit den Abläufen und Zuständigkeiten in einem Verein zunächst nicht viel anfangen. Wer kümmert sich um Trainingszeiten, wer beschäftigt sich mit dem Meldewesen, warum braucht man einen Spielerpass? – viele Dinge, die für hier aufgewachsene Menschen selbstverständlich sind, müssen andere erst kennenlernen und verinnerlichen“, macht sie deutlich. Dafür gelte es, eine Basis zu schaffen. Und genau da setze man an. Niedrigschwellig, mit dem nötigen Gespür für die Bedürfnisse der Teilnehmer und immer bereit, Details anzupassen. So bemühe man sich in den dreimaligen, jeweils vier Stunden umfassenden Vorbereitungsworkshops darum, weitgehend auf Frontalunterricht zu verzichten. Gruppenarbeit, Bilder und Videos sollen die Lerninhalte auf einfache Weise vermitteln und nachvollziehbar machen. „Unser Ziel ist es, die Teilnehmer auf Lehrgänge einzustimmen. Aber selbst wer anschließend keine Trainerlizenz erwerben will, soll Lust bekommen, sich in den Vereinen als Co-Trainer einzubringen“, sagt Andrea Ackermann. Die ersten Teilnehmer akquirierte man, indem das Angebot in Vereinen und bereits laufenden Integrationsprojekten publik gemacht wurde. Doch die Pandemie sorgte für einen kräftigen Tritt auf die Bremse und lähmte den weiteren Fortschritt.
Nur zweimal waren Präsenzkurse mit jeweils acht Teilnehmern, meist 20- bis 30-jährige Männer, möglich. Und der Umstieg auf virtuelle Zusammenkünfte lief angesichts fehlenden Know-hows und Equipments alles andere als rund. „Rein digital ist es nicht möglich. Das scheitert schon an mangelhaften Internetanschlüssen, fehlenden PCs oder Tablets“, berichtet Andrea Ackermann. Die kommenden Module sind wieder in Präsenz vorgesehen. „Wir wollen in die Vereine gehen. Sechs bis acht Teilnehmer wären ideal“, erklärt die Integrationsbeauftragte. Dabei kommt auch wieder Chama ins Spiel. Er sorgt für das Videomaterial, das beim Workshop eingesetzt wird und unterstützt damit Leon Ackermann. Letzterer hat das Konzept entwickelt und verantwortet die fachliche Leitung. Als Werkstudent, dessen Stelle im Rahmen der Initiative „2:0 für ein Willkommen“ gemeinsam von der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration sowie der DFB-Stiftung Egidius Braun finanziert wird, will er weitere fußballbegeisterte Menschen etwa aus Äthiopien, dem Iran, Irak, Syrien oder der Ukraine letztlich für den Einsatz im Verein begeistern und Steine aus dem Weg räumen. „Dieses Engagement verschafft der ehrenamtlichen Arbeit in den Vereinen und Verbänden eine breitere Basis. Es geht darum, all jenen Menschen, die den Fußball lieben, die Chance zu eröffnen, sich auch außerhalb des Spielfeldes einzubringen“, erklärt Tobias Wrzesinski, der Geschäftsführer der DFB-Stiftung Egidius Braun.
Der Syrer Chama hat genau diesen Weg erfolgreich beschritten. Er hat in einem dezentralen Trainerlehrgang die C-Lizenz erworben und coacht inzwischen sein aus Akteuren unterschiedlicher Herkunft bestehendes einstiges Hobbyteam in einem traditionellen Verein, als dritte Mannschaft des VfL Nürnberg.
Beim Bayerischen Fußball-Verband verfolgt man die Entwicklung in Nürnberg sehr genau. „Wir wollen Schlüsse daraus zu ziehen“, sagt Verbandsmitarbeiter Schweizerhof. Das Projekt habe nach ersten Einschätzungen das Zeug dazu, im gesamten Verbandsgebiet Schule zu machen. Letztlich, das macht er deutlich, geht es darum, den Fußball als Motor einer gelungenen Integration neuer Mitbürgerinnen und Mitbürger zu nutzen. Motivierten Menschen eine Teilnahme zu ermöglichen und gleichsam den Vereinen, Fußballkreisen und Verbänden engagierte ehrenamtliche Kräfte zu verschaffen. Dafür habe man in Nürnberg einen ersten Schritt getan.