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1.8.2024

Volker Bouffier: „Die Bereitschaft, sich zu engagieren, ist nach wie vor vorhanden“

Volker Bouffier (72) war von 2010 bis 2022 Ministerpräsident des Landes Hessen. Heute engagiert sich der gebürtige Gießener im Kuratorium der DFB-Stiftung Egidius Braun. In dieser Funktion besuchte er in der Sportschule Grünberg eine der Fußball-Ferien-Freizeiten der Stiftung, um sich mit den jugendlichen Teilnehmenden über Werte auszutauschen. Der freie Redakteur Michael Kämpf hat anschließend mit dem Träger des Bundesverdienstkreuzes über seine Eindrücke gesprochen.

Herr Bouffier, Sie haben unlängst eine der Fußball-Ferien-Freizeiten der DFB-Stiftung Egidius Braun besucht. In Grünberg konnten Sie mit Jugendlichen über Werte diskutieren. Haben die 13- bis 15-jährigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer ganz andere Vorstellungen und Prioritäten für das Zusammenleben als vorangegangene Generationen?

Nein, diesen Eindruck habe ich beim Austausch mit den rund 50 Mädchen und Jungen aus unterschiedlichen Teilen der Republik nicht gewonnen. Sie beschäftigen sich mit vergleichbaren Werten wie die Generationen vor ihnen. Man muss aber berücksichtigen, dass diese jungen Menschen sich gerade in einem Entwicklungsprozess befinden. Man spürt, die einen sind schon weiter als die anderen.

Welche Einschätzungen und Äußerungen haben Sie überrascht oder beeindruckt?

Mich hat beeindruckt, wie lebhaft die Jugendlichen aus ihrer Welt berichtet haben. Wenn sie über Werte sprechen, verbinden sie dies mit Erfahrungen aus ihrem Verein, aus der Schule und ihrem privaten Umfeld. Im Mittelpunkt stehen dabei die Fragen, wie man miteinander umgehen sollte, wie man Niederlagen verdaut oder sich als Sieger verhalten sollte. Die sonst für junge Menschen vielleicht etwas abstrakte Diskussion über Werte wird so für alle nachvollziehbar und greifbar.

„Vereine sind der soziale Kitt der Gesellschaft“

Braucht es aus Ihrer Sicht gemeinsame Werte für eine funktionierende Gesellschaft oder genügt ein Gesetzesbuch?

Das Gesetzesbuch reicht auf gar keinen Fall. Nehmen wir das Thema Respekt im Umgang miteinander. Respekt ist die Grundlage für ein friedlichen Zusammenleben, das Wort steht aber in keinem Gesetzestext, nicht mal im Grundgesetz. Im Gespräch mit den Jugendlichen kam etwa zur Sprache, wie man reagiert, wenn der Schiedsrichter ein vermeintliches Foul nicht pfeift. Respekt und die Akzeptanz von Entscheidungen und Regeln sind unverzichtbar. Das sehen auch die Jugendlichen so. Ein weiterer Punkt ist der Umgang miteinander - auf und neben dem Platz. Gerade in einer vielfältigen Gesellschaft ist es wichtig, einander zuzuhören. Diese Bereitschaft braucht es. Es darf nicht nur derjenige Gehör finden, der am lautesten brüllt.

Die Freizeiten gibt es seit mehr als drei Jahrzehnten - seit 2001 in Regie der DFB-Stiftung Egidius Braun, deren Kuratorium Sie angehören. Die Idee stammt noch von Egidius Braun selbst. Entspricht der Gedanke, Vereine mit außergewöhnlichem Engagement im Nachwuchs mit einer Teilnahme zu belohnen, immer noch dem Zeitgeist?

Aus meiner Sicht unbedingt. Vereine sind der soziale Kitt einer Gesellschaft. Dort lebt wiederum alles vom Ehrenamt,von jenen Menschen, die mehr tun, als sie müssten. Bei den Ferienfreizeiten sind Betreuer dabei, die sich teils seit Jahrzehnten ehrenamtlich engagieren. Diesem Wirken mit einer Einladung zu den Freizeiten Wertschätzung und Würdigung zuteilwerden zu lassen, ist und bleibt richtig.

Volker Bouffier sitzt in einer großen Gesprächsrunde mit den Jugendlichen
Volker Bouffier (m.) im Dialog mit den Jugendlichen

„Der Fußball ist vielerortsein Integrationsmotor“

Egidius Braun war davon überzeugt,dass der Fußball weit mehr als ein 1:0 ist, diesem Sport also eine besondere Kraft innewohnt. Kann der Fußball aus Ihrer Sicht eine entscheidende Rolle beider Vermittlung von Werten spielen?

Unbedingt. Der Fußball kann eine große Wirkung entfalten. Dieser Sport erreicht unglaublich viele Menschen. Die Stars haben eine wichtige Vorbildfunktion. Was sie auf und neben dem Platz tun, wird gerade von Jugendlichen über soziale Medien intensiv wahrgenommen. Im Alltag, also in Vereinen und auf dem Bolzplatz, hat der Fußball aber auch eine große Bedeutung für unser Miteinander. Er kann helfen, Vorurteile abzubauen und den gegenseitigen Respekt zu stärken. Wenn etwa Kinder unterschiedlicher Herkunft miteinander kicken, hat das eine andere Bedeutung, als wenn man nur über Integrationspricht. Der Fußball ist vielerorts ein Integrationsmotor.

Als langjähriger hessischer Ministerpräsident, Kuratoriumsvorsitzender der Landesstiftung „Miteinander in Hessen“ und durch Ihr Engagement für die DFB-Stiftung Egidius Braun haben Sie die Belange bürgerschaftlichen Engagements gut im Blick. Ist es schwieriger geworden, junge Menschen für ein Ehrenamt zu begeistern? Und welche Weichen gilt es für Zukunft zu stellen?

Nach wie vor gibt es eine Menge Jugendliche, die sich engagieren. Sie tun dies nicht, weil sie hoffen, dafür ausgezeichnet zu werden. Sie tun dies aus Freude und Überzeugung. Wer eine Jugendmannschaft trainiert und erlebt, wie die Kinder sich über einen Erfolg freuen, bekommt auch viel zurück. Dieses Wechselspiel funktioniert immer noch. Aber man muss bei der Begeisterung für ein ehrenamtliches Engagement anders vorgehen als früher. Es gilt, jungen Menschen frühzeitig Verantwortung zu übertragen, ohne sie mit langfristigen Erwartungen zu überfordern. Auch müssen die Strukturen flexibler werden. Wenn man beispielsweise junge Frauen für eine Tätigkeit begeistern will, darf die Vorstandssitzung eben nicht wie gewohnt um 19 oder 20Uhr stattfinden, wenn junge Mütter ihre Kinder ins Bett bringen müssen. Junge Leute haben sicherlich einen anderen Blick auf das Leben und einen anderen Umgang mit Medien und Kommunikation. Im Kern ist aber die Bereitschaft da, sich zu engagieren, wenn sie richtig angesprochen werden.

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