


Julia Hofmann (30) und Jonathan Stark (26) von der Sportakademie „Home of Goals“ waren als Trainer beim Trauerwochenende der DFB-Stiftung Egidius Braun und der Trauerbegleitung grievy auf dem DFB-Campus in Frankfurt am Main involviert. Die beiden berichten über ihre Eindrücke und erklären, warum sie großen Respekt von den Teilnehmenden mitgenommen haben.
Frau Hofmann, Herr Stark, die Teilnehmenden sind mit einem schweren emotionalen Rucksack und bewegenden Vorgeschichten zum Trauerwochenende am DFB-Campus gekommen. Wie ist es Ihnen gelungen, das Eis zu brechen und die passende Atmosphäre für lockere gemeinsame Minuten in der Fußballhalle zu schaffen?
Julia Hofmann: Mit den Kindern war es ganz einfach. Ziel war es, sie in den ersten fünf Minuten zum Lachen zu bringen. Das hat geklappt. In dieser Hinsicht können wir auf viel Erfahrung aus anderen Projekten und Camps zurückgreifen. Kinder sind Kinder, egal mit welchen Erinnerungen sie irgendwohin kommen. Angesichts unseres Vorwissens interpretieren wir ihr Verhalten vielleicht manchmal einfach nur anders.
Und welchen Ansatz hatten Sie bei den Erwachsenen?
Jonathan Stark: Das Ziel war dasselbe. Erwachsene handeln allerdings weniger intuitiv, sie sind verkopfter. Aber wenn man unvoreingenommen, offen und ohne übertriebenes Mitleid in die Kommunikation geht, funktioniert es ähnlich. Wir haben mit witzigen, spielerischen Aktionen begonnen. Das kam gut an – bei Kindern und bei Erwachsenen.
Julia Hofmann: „Die Schicksalsschläge sind nur ein gemeinsamer Nenner“
Wie haben Sie sich auf das Trauerwochenende vorbereitet?
Hofmann: Zunächst einmal mit dem Wissen, dass die Schicksalsschläge, die die Teilnehmenden erlebt haben, eben nur ein gemeinsamer Nenner dieser Gruppe von Menschen sind. Da sind aber noch ganz viele andere. Alle haben Lust auf Sport, auf ein freies Wochenende, auf gemeinsame Zeit. Diese Gruppe ist also nicht grundsätzlich anders als andere und damit ist auch unser Zusammenspiel mit ihnen nichtanders. Es geht zunächst um Spaß, um Freude, ums Abschalten. Ziel der zweiten Einheit war es dann, Emotionen hochzuholen. Freude, Wut, Trauer, Enttäuschung, Teamgeist sind gewohnte Aspekte in der Trainingsarbeit.
Stark: Ich habe mich lange schwergetan, mich gedanklich auf dieses Wochenende vorzubereiten, weil ich versucht habe, mich in die Lage der Teilnehmenden hineinzudenken. Letztlich bin ich dann losgefahren mit dem Vorsatz, alles auf mich zukommen zu lassen und unvoreingenommen zu sein. Das hat sich als der richtige Weg erwiesen. Das Training hat sich angefühlt wie bei vielen anderen Projekten. Spaß und Fußball standen im Vordergrund. Der einzige Unterschied bestand darin, dass sich Kinder, die einen emotionalen Tiefpunkt hatten, zwischendurch mal rausgesetzt und eine Auszeit genommen haben, was selbstverständlich völlig in Ordnung war. Zudem wussten wir ja, dass immer Trauerbegleiter als Experten vor Ort sein würden, wenn wir mal an unsere Grenzen stoßen sollten.
Fußball und Trauer zu vereinen, ist zweifellos eine spezielle Konstellation. Ergeben die beiden Komponenten ein stimmiges Ganzes?
Hofmann: Absolut. Alles, was mit Emotionen zu tun hat, kann man mit Sport zusammenbringen. Es geht immer um Freude, Enttäuschung, Druck, Stress, Teamspirit, Wut. Wenn man in einem bestimmten Kontext nicht weiterkommt, hilft es, diesen zu verlassen, um in einem anderen Umfeld eine Weiterentwicklung anzugehen. Das gilt auch für die Trauerarbeit.
Überzeugung von Egidius Braun bewahrheitet sich eindrucksvoll
Das heißt, der Ansatz des Trauerwochenendes der DFB-Stiftung Egidius Braun und der Trauerbegleitung grievy hat funktioniert und die Überzeugung des Namensgebers der Stiftung Egidius Braun hat sich erneut bewahrheitet, dass Fußball mehr ist als ein 1:0?
Stark: Ja, das haben wir so erlebt. Das hat mich aber nicht überrascht. Denn wir nutzen den Sport immer wieder erfolgreich als Hebel, um persönliche Kompetenzen und soziale Fähigkeiten zu stärken. Der Fußball ist perfekt dafür geeignet, um die Bedeutung von Teamarbeit, Respekt und unterschiedlichen Talenten zu verdeutlichen. Beim Sport kann man zudem Selbstvertrauen gewinnen, Durchsetzungsfähigkeit und einen guten Umgang mit Druck erlernen.
Hofmann: Das stimmt. Hinzu kommt ein ganz simpler Fakt: Der Fußball hat es überhaupt erst möglich gemacht, dass die Menschen zum Trauerwochenende zusammenkommen sind.
Wie haben Sie denn den Umgang der Teilnehmenden mit der Herausforderung erlebt, Emotionen und Gefühle vor zuvor fremden Menschen zu zeigen?
Stark: Es gab auf jeden Fall Unterschiede zwischen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Kinder zeigen ihre Gefühle klarer und in unterschiedlichen Extremen. Sie können binnen kurzer Zeit erst riesigen Spaß haben und dann in Tränen ausbrechen. Erwachsene sind kontrollierter.
Hofmann: Ja, die Väter und Mütter sind mit einem Ziel hierhergekommen. Sie wollten Austausch und die Möglichkeit, emotional etwas hierzulassen, die Kinder haben einfach alles auf sich zukommen lassen. Ich glaube, wir haben allen Raum gegeben, Gefühle rauszulassen und anderseits neues Rüstzeug für den weiteren Weg mitzunehmen.
Großer Respekt vor den Teilnehmenden
Sie haben bewegende Geschichten gehört und Tränen gesehen. Wie wollen Sie im Nachhinein mit dem Erlebten umgehen?
Stark: Ich sehe da keine Schwierigkeit, denn ich gehe mit einem positiven Gefühl. Ich fand es sehr schön zu sehen, dass vor allem die Kinder trotz der Schicksalsschläge Spaß hatten und in der Lage sind, weiterzumachen. Der Fußball hat eine positive Wirkung. Diese Erkenntnis ist sehr klar.
Hofmann: Ich nehme vor allem großen Respekt vor allen Teilnehmenden mit. Es gehört einiges dazu, sich hierher zu trauen und sich emotional vor anderen zu öffnen. Hier ist in kurzer Zeit eine Gemeinschaft entstanden, in der es normal war, Emotionen zu zeigen. Das hat mich sehr beeindruckt. Beim Kerzenritual war auch ich ergriffen. Ich habe erst meine Tränen zurückgehalten. Dann kam aber die Erkenntnis, dass es völlig okay ist, die Tränen laufen zu lassen. Da ging es mir wie den Teilnehmenden.